Copy-Trading: Chancen, Risiken und realistische Einordnungen
Copy-Trading gilt als Revolution für Privatanleger: Anstatt sich selbst stundenlang mit Charts, Wirtschaftsdaten und Handelsstrategien zu beschäftigen, folgt der Anleger einem anderen Trader und kopiert dessen Transaktionen. Dabei spiegeln die entsprechenden Tradingplattformen jeden Trade automatisch. Die prozentuale Entwicklung des Depots entspricht der des gefolgten Profis – jedenfalls in der Theorie.
In der Praxis zeigt sich jedoch: Copy-Trading ist alles andere als ein Selbstläufer oder ein bequemer Weg zum Wohlstand. Dieser Artikel nennt Chancen und Risiken dieses Handelsansatzes und erläutert ebenso die vielen Tradern unbekannten Fallstricke.
Was genau ist Copy-Trading?
Copy-Trading bedeutet, dass das eigene Handelskonto technisch mit dem Konto eines anderen Traders verknüpft ist. Dieser kann kein Geld ein- oder auszahlen, stattdessen beschränkt sich die Verknüpfung auf die durchgeführten Transaktionen. Die Personen, die die Käufe und Verkäufe eines anderen Kontos kopieren, werden häufig als „Follower“ bezeichnet. Die Tradingplattformen spiegeln jede Transaktion in Echtzeit, ohne dass der kopierende Trader sie bestätigen muss. Bei den meisten Anbietern lassen sich zudem verschiedene Parameter des sogenannten Money Managements anpassen, um Unterschiede zwischen den Kontogrößen auszugleichen.
Ein Beispiel: Trader A hat 10.000 Euro auf seinem Handelskonto und kopiert Trader B, der mit 100.000 Euro kapitalisiert ist. Trader A legt die Größe der kopierten Kontrakte auf ein Zehntel fest, damit er bei jedem Trade das gleiche Risiko eingeht wie der Profi.
Vor dem ersten Trade richtet der angehende Anleger ein Handelskonto bei einem Broker seiner Wahl ein. Im Rahmen des Registrierungsprozesses ist zumeist eine Identitätsverifikation erforderlich, die normalerweise nach spätestens einer Woche abgeschlossen ist. Anschließend hat der Anleger die Möglichkeit, einem oder mehreren Tradern zu folgen. Dieser Schritt entscheidet bereits über Wohl und Wehe der Kontoentwicklung.

Worauf kommt es bei der Auswahl des Traders an?
Seriöse Handelsplattformen stellen umfassende Daten über die Trader bereit, die ein Anleger kopieren kann. Bei einigen Anbietern müssen die kopierten Händler zunächst ein Qualifikationsprogramm durchlaufen, bei dem sie etwa beweisen müssen, dass sie in der Lage sind, Verluste zu begrenzen.
Zu den wichtigsten Kriterien zählt die sogenannte Trefferquote: Dieser Wert gibt an, wie viel Prozent seiner Transaktionen der Trader in der Vergangenheit erfolgreich, also mit Profit, schließen konnte. Doch bereits hier ist Vorsicht geboten: Die Trefferquote sagt nichts über das Verhältnis der Gewinne zu den Verlusten aus. Im Extremfall ist es möglich, dass ein Trader 99 Positionen profitabel schließt und dann mit einem Verlusttrade das gesamte Handelskonto „erdet“, also einen Totalverlust erleidet.
Finanzprofis betrachten daher Risikokennziffern wie die Höhe des sogenannten Drawdowns oder das Value-at-Risk (VaR) als geeignetere Auswahlkriterien.
Vorsicht vor den Highflyern
Nahezu sämtliche Plattformen für Copy-Trading bieten Filterfunktionen an, mit denen Anleger gezielt Trader finden können, die bestimmte Kriterien erfüllen. Oftmals suchen Neukunden bei ihren Brokern nach Händlern, die innerhalb kürzester Zeit enorme Renditen erzielt haben. Diese Vorgehensweise birgt jedoch erhebliche Risiken: Derartig hohe Gewinne lassen sich an den Märkten zumeist nur durch einen aggressiven Hebeleinsatz erreichen, der zugleich mit der Gefahr des Totalverlusts einhergeht.
Beobachtungen auf Plattformen für Copy-Trading zeigen eine ernüchternde Realität: Trader, die innerhalb weniger Wochen Renditen im zwei- oder gar dreistelligen Prozentbereich erzielen, sind nahezu ausnahmslos nach einigen Monaten auf der Handelsplattform nicht mehr auffindbar.

Gebühren und weitere Kosten: Die heimlichen Renditekiller
In der Praxis kommt es häufig vor, dass die kopierten Trader zwar kontinuierliche Gewinne erzielen, die Konten der Follower aber schrumpfen. Der Grund dafür sind verschiedene Kosten, die bei den Transaktionen entstehen: Zu nennen ist zunächst der Spread, also die Differenz zwischen dem An- und Verkaufspreis eines Wertpapiers, den sowohl der kopierte Trader als auch dessen Follower zu tragen haben.
Besonders beim Copy-Trading wirken sich zwei weitere Kostenfaktoren nachteilig auf die Performance der kopierenden Anleger aus:
- Der kopierte Trader erhält meist eine Vergütung dafür, dass andere Händler seine Transaktionen spiegeln. Je nach Plattform entsprechen diese Erlöse entweder einem prozentualen Anteil an den profitablen Trades oder sie werden anhand der gehandelten Kontakte errechnet. Besonders das zweite Vergütungsmodell ist für Follower problematisch, da der Trader eine Vielzahl an Käufen und Verkäufen durchführen kann, um seine Provisionen zu maximieren.
- Einige Anbieter erheben zusätzlich einen Festpreis pro gespiegelter Transaktion. Dieser Preis ist oftmals trügerisch niedrig, entwickelt sich aber besonders dann zu einem ernsten Problem für die Follower, wenn der kopierte Trader viele Wertpapiergeschäfte innerhalb kurzer Zeiträume durchführt. Viele Scalping-Strategien werden dadurch beim Copy-Trading unprofitabel.

Mit Copy-Trading der Trading-Psychologie ein Schnippchen schlagen?
Jeder Trader weiß: Die eigene Psyche ist oft das größte Hindernis auf dem Weg zum Erfolg. Die beste Handelsstrategie führt zum Untergang des Kontos, wenn der Händler unter Druck falsche Entscheidungen trifft und etwa sein Risikomanagement über Bord wirft. Copy-Trading erscheint hier als ein möglicher Ausweg. Einem fremden Händler folgen und sich täglich über die jüngst realisierten Gewinne freuen – ein schöner Traum, der jedoch wenig bis nichts mit der Realität zu tun hat.
Denn Tatsache ist: Die emotionalen Belastungen verschwinden nicht, sobald ein Trader seine Handelsentscheidungen einer anderen Person überlässt. Verluste lösen auch dann Reaktionen aus, wenn sie auf den Entscheidungen eines fremden Händlers beruhen; schließlich ist nach wie vor das eigene Kapital betroffen.
Overtrading: Auch beim Copy-Trading bedrohlich
Häufig ist zu beobachten, dass Anleger vorschnell zu einem anderen Trader wechseln, sobald der bisherige mehrere Verlusttrades in Folge verbucht hat. Ebenso werden offene Positionen verfrüht und damit asynchron mit dem kopierten Konto geschlossen. Dadurch kommt es zu einem Phänomen, das auch beim Eigenhandel das Überleben des Depots gefährdet: dem sogenannten Overtrading.
Hierbei fühlt sich ein Trader durch eine Reihe von kürzlich erlittenen Fehltrades verunsichert, sodass er Positionen in rascher Abfolge öffnet und schließt, um sogleich wieder Transaktionen in die Gegenrichtung zu tätigen. Hierbei entstehen nicht nur viele kleine Verluste, sondern es fallen auch enorme Gebühren an, die das Handelskonto belasten und oftmals in eine Abwärtsspirale führen.
Beim Copy-Trading, bei dem im Vergleich zum klassischen Trading zumeist weitere Kosten anfallen, entfalten sich die negativen Effekte des Overtradings besonders schnell.
Welche Chancen bietet Copy-Trading?
Im Gegensatz zu den meisten anderen Ratgebern zum Thema hat sich dieser Artikel bislang hauptsächlich um die Risiken gedreht. Der Grund für diese Struktur liegt in der Realität des Copy-Tradings wie des Tradings selbst: Anleger begeben sich oftmals mit unrealistischen Vorstellungen an die Finanzmärkte. Dies gilt umso mehr für unerfahrene Trader, die im Copy-Trading eine Abkürzung zum schnellen Reichtum sehen. Finanzmarktexperten wissen jedoch, dass die Basis für nachhaltige Erfolge im Risikomanagement liegt.

Wer diese Risiken versteht und lernt, mit ihnen umzugehen, kann von den Potenzialen des Copy-Tradings profitieren – von der Möglichkeit, jederzeit und überall an Marktbewegungen teilzuhaben, bis zur Chance, auf Grundlage der kopierten Trades eigene Handelsstrategien zu entwickeln. Daher ist es sinnvoll, Copy-Trading nicht als „Autopilot zum Reichtum“ misszuverstehen, sondern als Diversifikationsinstrument in einem eigenständig entwickelten Anlagekonzept.
Fazit
Copy-Trading ist weder ein garantierter Weg zu schnellem Reichtum noch per se riskanter als eigenständiges Trading. Vielmehr ist es als ergänzendes Werkzeug in einer umfassenderen Anlage-, Handels- und Investmentstrategie zu betrachten. Ob sich beim Copy-Trading Erfolge einstellen, hängt in erster Linie von der Auswahl des Traders, der Kostenstruktur der Plattform und der Disziplin des Anlegers ab.